Mittwoch, 18.05.2022, zwischen 15:00h und 16:00h, tiRumpel, Waldaupark St. Gallen
ST. GALLEN. Jeden Mittwoch gibt es im Waldau-Quartier ab 14 Uhr einen Kindertreff für Kinder von 4 bis 12 Jahren. Zum Vorlesetag wird eine kleine Bühne eingerichtet. Kinder haben Geschichten aufgeschrieben. Die mutigen können ihre Geschichte ab 15 Uhr am offenen Mikrofon vortragen.
Ich freue mich, dass auch ich eingeladen wurde, eine kurze Geschichte vorzulesen.
Foto: Kathrin Rieser
Als Geschichte habe ich eine spannende und lustige Räubergeschichte von Catharina Valckx ausgewählt: «Pfoten hoch!»
Weil die Bilder im Bilderbuch für die vielen Zuhörer:innen zu klein sind, hatte ich aus der Bibliothek Kamishibai-Bilder ausgeliehen und auf meiner «Erzählbilderbühne» gezeigt.
(Die Erzählbilderbühne geht so: Auf einem Notenständer befestige ich einen grossen Wellkarton, lege ein schwarzes Tuch darüber, stelle anschliessend die aufeinanderliegenden Bilder drauf und bedecke das Ganze nochmals mit einem schwarzen Tuch als Vorhang.)
Die Geschichte handelt von Billy, einem Hamster. Sein Vater ist ein berühmter Gangster. Er will, dass Billy auch ein Gangster wird. Aber weil Billy viel zu nett ist, muss er zuerst üben. Mit einem ungeladenen Revolver muss er die Tiere erschrecken und schreien: «Pfoten hoch!»
Doch die Tiere erschrecken nicht: Der Regenwurm hat keine Pfoten. Das Mausmädchen hat vier Pfoten. Der Hase blitzt nur vorbei. Weil er vom Fuchs gejagt wird!
Als der Fuchs den Regenwurm essen will, bedroht ihn Billy. In grosser Angst rennt der Fuchs schnell davon. Billys Vater ist stolz. Aber Billy sind die neuen Freunde wichtiger.
Literaturhinweis: Catharina Valckx: Pfoten hoch! Moritz 2011.
Samstag, 19.6.2021, 9:30h, Kirche Stein AR (weitere Daten: s. unten)
Unsere Orgel erleben
STEIN. Heute ist es anders in der Kinder-Kirche Stein: Ich darf zu Gast sein bei den 19 (!) Kindern von der 4. Klasse bis zum Kindergarten.
Die Kinder sehen die Orgel immer, wenn sie hier feiern. Aber sie hören sie selten. Denn meist wird sie nur zu den Erwachsenen-Gottesdiensten gespielt. Deshalb sollen sie heute die Orgel erleben und etwas kennen lernen.
Eine fröhliche Kindergruppe sitzt nun vorne im geräumigen Chorraum, zwischen Orgel und Altar, im Kreis, auf Kissen auf dem Boden. Wir schauen auf diese schöne Steiner Orgel. Ich erzähle:
Eine Orgel ist ein besonderes Instrument. Man kann es nicht einpacken wie eine Flöte. Oder auf den Rücken nehmen wie ein Gitarre. Auch hat keines der Kinder eine Orgel bei sich zuhause. Oder schon? — Nein! Denn dafür genügt ein gewöhnliches Zimmer nicht. Es braucht einen grossen Raum. Und dieser ist auch wichtig, weil erst hier die Orgel so richtig schön tönt.
Wir singen ein paar Töne und lauschen dem Hall im Raum. Dann spiele ich ein festliches Stück auf der Orgel. Die Kinder schauen zu, was ich mache; sie schauen die Orgel an; sie hören die Musik.
Was habt ihr gehört? Was habt ihr gesehen? — Die goldene Verzierung. Dass manche Tasten sich von alleine bewegen. Dass ich auch mit den Füssen spiele …
Die Pfeifen sind wie Flöten, die auf dem Kopf stehen. Ich nehme eine Blockflöte hervor. Wie suchen nach den Unterschieden. Und realisieren, dass es bei der Orgel für jeden einzelnen Ton eine eigene Pfeife gibt! Das sind viele, sehr viele.
Wieviele wohl? 100, 1000, 10000? — 100; vielleicht 200, schätzen manche Kinder. — Es hat hier 1464 Pfeifen. Das habe ich mit dem Orgelbauer, der hier in Stein wohnt, berechnet. Die Kinder staunen. Wenn man die Orgel von der Seite anschaut, sieht man, wieviel Platz sie brauchen.
Die Kinder wollen diese Pfeifen auch hören: Die tiefsten Töne! — «Das tönt wie ein Donnergrollen!» — Und nun die höchsten! — «Wie Vogelgezwitscher» — Die lautesten? — Man muss sich ja fast die Ohren zuhalten. — Die leisesten. — «Ein Kuckuck?»
Ja, diese leisen Töne gefallen mir auch so gut. Und ich lasse verschiedene Flötenstimmen ein zweistimmiges Menuett tanzen. Die Kinder sind ganz still.
Wir hören weitere Klänge, z. B. wie Trompeten miteinander plaudern können. Wir erfahren, dass die grösste Pfeife hier — eine «8-Fuss»-Pfeife — 2.4 m hoch ist. Und dass es einen Trick gibt, eine Flötenpfeife tiefer zu machen, ohne sie länger zu machen. Ich spiele den tiefsten Ton auf meiner Blockflöte. Aber es gibt noch einen tieferen: Wenn man nämlich das letzte Loch auch noch schliesst, unten an der Flöte. Aber dazu muss mir ein Kind helfen. — Erstaunte Gesichter!
Die Orgelpfeifen sind der Grösse nach aufgestellt. Das machen nun auch die Kinder. Dann spiele ich den tiefsten Ton der Pfeifen, die man sieht. Er kommt von ganz links. Dann spiele ich den zweit-tiefsten Ton. — Der kommt ja von rechts! — Also muss das zweite Kinder auf die andere Seite stehen. Usw. Am Schluss stehen die Kinder nach der Grösse geordnet ähnlich vor der Orgel wie die Pfeifen oben auf der Orgel.
In einem weiteren Teil darf jedes Kind selbst fünf Töne auf der Orgel spielen. «Laut oder leise?», frage ich. Manche wollen die lautesten Töne spielen, manche ganz leise. Und ich habe eine grosse Arbeit, alle Register zu ziehen oder wieder hineinzustossen. Den Kindern macht es Spass. Und konzentriert klettert jedes Kind auf die Orgelbank, spielt seine fünf Töne und kommt wieder herunter.
Und wieso gibt es überhaupt eine Orgel in der Kirche? «Wenn man in die Kirche geht», flüstere ich — und alle hören mucksmäuschenstill und sehr aufmerksam zu –, «dann ist man leise. Man redet nicht. Man will hier Beten. Spüren, dass Gott bei uns ist. Und Gott auch sagen, dass man sich über ihn freut.»
Deshalb singen wir dann zum Schluss auch noch ein frohes Lied. Aber die Kinder singen zuerst sehr leise. Ich breche nach zwei Takten ab: «Ihr musst lauter singen, sonst höre ich euch nicht.» Und da singen sie kräftig, so kräftig, dass ich noch ein weiteres Register ziehen kann. Und es wird ein fröhlicher Lobgesang, der die Kirche erfüllt.
Nach dem Segensgebet der Leiterin springen die Kinder nach draussen, denn sie wollen — wie versprochen — mit dem Seil, mit dem wir die Grösse der Pfeifen abgemessen haben, noch Seilspringen …
Sonntag, 28.2.2021, gegen Abend, Oberstrasse 281a, St. Gallen
Brif, bruf, braf
Eine Geschichte nach Gianni Rodari
ST. GALLEN. Bei Hochnebel sind meine Frau und ich am Vormittag aufgebrochen und ins Appenzellerland hinüber gewandert; am Nachmittag begleiteten uns die freundlich wärmende Sonne und der blaue Frühlingshimmel wieder nach Hause. In unserer Siedlung sind Kinder am Spielen. Wir kommen ins Gespräch. Wir überlegen miteinander, wie man aus vier Strängen einen schönen Zopf für ein Armbändeli machen kann. N. hat eine Idee. Wir probieren es sofort aus. Und es geht! D. kommt hinzu. Er schaut, was wir machen. Dann: «Haben Sie eine Geschichte?» «Ja», sagte ich, «und du, hast du auch eine Geschichte?» «Ja!», sagt er. — «Erzähle!» — Und D. erzählt uns einen übermütigen Witz. «Weisst du auch, worauf es ankommt, ob eine schwarze Katze Unglück bringt oder nicht?», frage ich. — Verschiedene Antworten kommen aus der kleinen Kinderrunde. — «Es kommt darauf an, ob sie einem Menschen oder einer Maus begegnet.»
«Und was ist nun mit der Geschichte?», hakt D. nach. «Gut. — Eine Geschichte von zwei Kindern: Es waren einmal zwei Kinder, die spielten draussen miteinander. Sie wollten eine Geheimsprache erfinden. Damit niemand sie verstehen konnte. Auf dem Balkon goss eine Frau ihre Blumen.» Ich schaue nach oben, zum Balkon. «Auf dem nächsten Balkon sass ein Mann und las die Zeitung.» Ich schaue zum zweiten Balkon. «‹Brif braf›, sagte das eine Kind. ‹Braf brof›, sagte das andere. Und sie mussten laut lachen, so lustig war das.» Die Kinder lachen auch. Und dann ich erzähle weiter: Von der Frau, auf dem Balkon, welche die Kinder nicht versteht und sie deshalb dumm findet. Und vom netten Mann auf dem Balkon daneben, welcher der Frau erklärt, was die Kinder soeben gesagt haben, nämlich: ‹Heute ist ein super Tag!› und ‹Morgen wird es noch schöner!›. Und so geht es weiter, hin und her. Bis zum überraschendem Schluss, als der nette Mann die mürrische Frau freundlich und witzig mit nur drei Worten daran erinnert, wie schön doch das Leben ist. –
«Machen wir jetzt noch ein Spiel?» – «Ja!» – «Ich will das Drachenspiel machen.» Ich schaue im Rucksack: Ja, da gibt es einen Fetzen! Und schon verteidigt ihn der Drachen gegen die Diebe. Lachen. Springen. Fangen. Sich Freuen. Und es bleibt nicht bei diesem einen Spiel . . . Doch dann, später, ruft eine Mutter zum Nachtessen, und eine zweite auch. Und der Himmel beginnt rotblau einzuschlummern. Zufrieden und müde gehen auch wir nach Hause . . . —
Wieder draussen sein, wandern, grossen Leuten und Kindern begegnen, mit einer kleinen Geschichte und ein paar Spielen den Alltag auffrischen: Ein schöner neuer Anfang in Erwartung des Frühlings.
Sonntag, 1.12.2019; 17:15h – 17:30h, Oberstrasse 281a, St. Gallen
Die Mutprobe
Eine Geschichte nach Heribert Haberhausen, zum Erzählen im Advent eingerichtet von Wolfram Fischer
ST. GALLEN. Das Glasfenster am Hauseingang ist mit einem grossen dunkelroten Tuch verdeckt. Immer mehr Kinder und Erwachsene versammeln sich. Dann – endlich – klingelt lange eine Glocke: Der Moment der Enthüllung des Adventsfensters der Geschwister Leni und Lukas ist gekommen! Und zum Vorschein kommt das Bild einer grossen, rot leuchtenden Christbaumkugel, umgeben von vier kleinen farbigen Kugel.
Lukas und sein Kollege tragen das dunkelrote Tuch weg, hinüber zur Geschichten-Ecke. Nun ist alles bereit, und kann ich beginnen mit der Geschichte von Ralf, der eine Mutprobe bestehen muss, damit er in die Gruppe von Stefan und Peter aufgenommen wird. Die Mutprobe widersteht ihm, denn er sollte dem alten Herrn Gradenecker in seinem Lädeli eine Schokolade stehlen. Doch er will nicht feige sein, und deshalb macht er es dann trotzdem.
Nun wird er in die Gruppe aufgenommen. Aber das, was er getan hat, plagt ihn. Am nächsten Tag geht er ins Lädeli und will Herrn Gradenecker einen Zweifränkler geben. Auf die erstaunte Frage von Herrn Gradenecker, was er denn dafür haben möchte, rückt er damit heraus, dass er die Schokolade schon gestern genommen habe, und dass es eine Mutprobe gewesen sei. Herr Gradenecker nimmt das Geld und schaut ihn an und sagt: «Die Mutprobe, die war heute.»
Literaturhinweis:
Nach Heribert Haberhausen: Bitterschokolode. In: Steinwede/Schupp [Hrsg.]: Abel steh auf. Geschichten zur Zivilcourage für junge Menschen ab 8. Lahr 2002: S. 52 f.
WOLFERTSWIL. Geschichten vorlesen? Oder Geschichten (frei) erzählen? – Unter Geschichtenerzählern ist das meist keine Frage: Gute frei erzählte Geschichten sind sehr packend und lebendig und erfüllen sowohl den Erähler wie auch die Zuhörer.
Am Schweizer Vorlesetag wurde klar, dass auch vorgelesene Geschichten sehr spannend und unterhaltsam sein können. Vorlesen, Erzählen oder Lesen: Das sind einfach unterschiedliche Arten, Geschichten zu erleben. Vorlesen hat gegenüber dem Erzählen den grossen Vorteil, dass es bei neuen Geschichten weniger Vorbereitung braucht. Es kann sogar sein, dass sich Vorleser und Zuhörer gemeinsam miteinander auf eine neue Geschichte einlassen.
Für den Vorlesetag aber haben wir uns natürlich schon gut vorbereitet: Wir haben das Vereinslokal gemütlich eingerichtet: mit einem Teppich, einer Stehlampe, einem Tischchen und einem bequemen Stuhl für den Erzähler. Wir haben die Texte zuhause geübt. Wir haben musikalische Zwischenspiele geübt. Und dann waren wir gespannt, wer uns zuhören kommen wird …
Zirkus
Mit fröhlicher Zirkusmusik – gespielt auf der Handorgel von Wolfram Fischer – begannen wir den ersten Teil für die kleinsten Gäste und ihre Eltern und Grosseltern. Nach der Musik öffnete die Märchenerzählerin Rita Ehrbar auf dem Erzählbilderbuchständer das Bilderbuch «Nicolo» von Verena Pavoni. Und wir liessen uns in die Zirkuswelt von Nicolo entführen. Er wünschte sich sehnlichst ein Pferd. Dafür ging er mit seiner Gitarre sogar Geld verdienen. Wir sangen mit ihm und waren gespannt, ob das Geld denn auch reichen würde. Nein, das tat es leider, leider nicht. Aber beim Pferdeverkäufer gab es ein neugieriges Eselchen, und dieses neckte Nicolo. Es wurde schliesslich sein Freund und durfte zu Nicolo in den Zirkus.
Glück
Nach Kuchen und Tee gab es im zweiten Teil für die Erwachsenen ganz verschiedene Geschichten, die wir unter das «Motto» Glück gestellt hatten. Glück ist, wenn man in grosser Trauer getröstet wird. Mozart tröstete Éric-Emmanuel Schmitt in Form seines Klarinetten-Konzertes. Myrta Fischer-Schmitter las uns seine Erzählung aus «Mein Leben mit Mozart», und wir lauschten der warmen Musik von Mozart. Glück ist, wenn man die Angst, die in einem Gerücht verbreitet wurde, mit einem einzigen Satz vertreiben kann, so wie der Hase im Märchen von der «Liste des Bären», welches Ursi Weishaupt für uns ausgewählt hatte und mit Humor vorlas. Glück ist, wenn man zufrieden ist mit seinem Leben. So wie der Fischer, von dessen Erlebnis mit einem besserwisserischen studierten Touristen uns Ursi Weishaupt vorlesend berichtete. Glück ist, wenn jemand gegen den eigenen Willen etwas tut, was einem Frieden bringt, so wie dies dem arbeitssuchenden Wanderer in der nordamerikanischen Geschichte von «den beiden Nachbarinnen» gelang, mit welcher Wolfram Fischer den Vormittag besinnlich-heiter abschloss.
Glück war auch, dass wir in kleiner Runde diesen Vormittag mit schönen Geschichten von verschiedenen VorleserInnen und mit den musikalischen Zwischenspielen von Wolfram Fischer an Klavier und Handorgel geniessen durften. Danke der Bibliothek Degersheim, welche diesen Anlass in Degersheim und Wolfertswil organisiert hatte!
Literaturhinweise:
Verena Pavoni: Nicolo. Zürich (Atlantis) 1984, 32 S.
Die Liste des Bären. In: Frau Wolle: König Lichterloh. Märchen und Geschichten von Krieg und Frieden, Streit und Vergebung, Zorn und Zärtlichkeit. Innsbruck (Tyrolia) 2016, 215 S.
Reichtum ist nicht alles. Erzählfassung von Andreas Schibilla.
Heinrich Böll, Émile Bravo: Der kluge Fischer. München (Hanser) 2014, 40 S. (Ungekürzte Fassung: Heinrich Böll: Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral. 1963.)
Die beiden Nachbarinnen. In: Frau Wolle: König Lichterloh. Märchen und Geschichten von Krieg und Frieden, Streit und Vergebung, Zorn und Zärtlichkeit. Innsbruck (Tyrolia) 2016, 215 S.
Einen magischen Abend zum ihrem 30. Geburtstag: Das wünschte sich eine junge Frau. Zuerst dachte sie an einen Zauberer. Doch dann kontaktierte sie mich als Geschichtenerzähler. Nach einem eingehenden Gespräch stellte sich heraus: Das wird spezieller werden. Ungewohnt. Und nachhaltiger. Denn wir wählten eine kurze, humorvolle Liebesgeschichte nach der Vorspeise, eine zauberhafte Geschichte mit Publikumsbeteiligung nach dem Hauptgang, und vor dem Dessert ein Erzählcafé mit Erinnerungen der Gäste aus dem Leben mit der Jubilarin.
Gefeiert wurde im Sempacher Hexenturm: Ein toller Ort für Geschichten! Natürlich sollte an einem solchen Ort auch eine Hexe vorkommen. Und sie tauchte denn auch unvermittelt auf in der Geschichte von der mutigen Frau mit dem Spinnrad: Sie wagte sich an eine Aufgabe, bei der schon mehrere Dutzend kluger Männer ihre Köpfe verloren hatten. Sie stellte dabei die Frage, ob der liebende Mann seine Freundin heiraten solle, auch wenn er erfahren hat, dass sie eine Hexe ist: Ein Rätsel sowohl für die Geburtstagsgesellschaft als auch für die Helden und deren Mitläufer im Märchen vom stillen Prinz.
Im Erzählcafé schenkten die Gäste ihre Erinnerungen der ganzen Gästeschar: Ein lebhafte und äusserst persönliche Geschichte entstand, ein besonderes Geschenk an das Geburtstagskind. Kurze Musikstücke markierten den Wechsel von einem Lebensabschnitt zum nächsten. Abgerundet wurde diese gemeinsam erzählte Geschichte durch spontan beschriebene Wunschkärtchen aller, welche von der Geburtstäglerin dann als Puzzle zu einer „Stadt der guten Wünsche“ zusammen gesetzt wurden.
Am diesjährigen kurdischen Kindergeburtstagsfest erzählte ich die Geschichte von der Maus Nicolas nach Leo Lionni:
Die Mäuse sind wütend, weil die Vögel die feinen roten Beeren bereits vor ihnen gepflückt haben. Nicolas ärgert sich: «Das ist gemein. – Zum Teufeln mit den Vögeln!»
Dann geht Nicolas allein auf die Suche nach einem Beerenbusch mit den süssesten und reifsten Beeren. Doch unterwegs wird er von einem grossen, hässlichen Vogel gepackt und in die Luft entführt. Er zappelt und wehrt sich, bis ihn der grosse Vogel nicht mehr halten kann.
Zum Glück fällt er nicht auf den Boden, sondern gerade in ein Nest mit drei kleinen Vögeln. Diese staunen über seine Geschichte und wollen ihn bei sich behalten. Die Mutter ist einverstanden. Und sie füttert ihn mit seiner Lieblingsspeise: Mit süssen roten Beeren.
Doch eines Tages erwacht er allein im Nest, mit einem Haufen roter Beeren. Nachdem er diese gegessen hat, entscheidet er sich, auch zu gehen.
Auf dem Nachhause-Weg trifft er seine Kollegen und erzählt ihnen seine abenteuerliche Geschichte. Als er vom grossen Vogel erzählt, beginnen sie sofort wie wild zu rufen: «Krieg den Vögeln!» Es gelingt Nicolas kaum weiter zu erzählen.
Als er zum Ende kommt, fliegen auf einmal vier Vögel daher und bringen allen feine rote Beeren. Der alte Raymond sagt: «Seht ihr, wegen eines bösen Vogels sind nicht gleich alle böse.»
Literaturhinweis, Bildquelle:
Leo Lionni: Nicolas, wo warst du?, 1987 (Neuauflage: Beltz 2017)
Eine Geschichte zum Lied: «En helle Stern inre tunkle Nacht» von Andrew Bond. Skript: Wolfram Fischer, inspiriert vom Bilderbuch: «Die Weihnachtsfähre» von Marbeth Reif und Sakari Nomura.
WOLFERTSWIL. Ein langes blaues Tuch als Fluss, ein Holzschiff, Platz für viele kleine Zuhörer im Chorraum neben der Weihnachtskrippe und für die grösseren Zuhörer in den vordersten Kirchenbänken, rechterhand eine Handvoll SchülerInnen mit ihren Musikinstrumenten, in der Mitte ein Stuhl aus Grossmutters Zeiten für den Erzähler: Vor dieser Kulisse führte Silvia Kessler vom Chinderfiir-Team durch die Familienweihnachtsfeier unseres Dorfes.
Die Geschichte, die dieses Jahr von Wolfram Fischer erzählt und von SchülerInnen musikalisch untermalt wurde, handelte von Tabea und ihrem Grossvater, einem Fährmann:
Eine Familie mit einem Baby bittet spät am Weihnachtsabend noch um eine Überfahrt ins Dorf. Als der Grossvater sie spontan noch zu einer stärkenden Suppe einlädt, kann Tabea die Augen kaum mehr vom kleinen Kind lassen: Genau so muss auch das Jesuskind ausgehen haben! Auf der anschliessenden Überfahrt entdeckt Tabea begeistert, dass ein heller Stern (der Weihnachtsstern!) mit ihnen fährt. Und dass er nach der Rückfahrt über ihrem Haus stehen bleibt, gerade wie es in ihrem Lieblings-Weihnachtslied vom Stern erhofft wird:
Frauen feiern ihr Jubiläum: Seit zwanzig Jahren haben Mütter in Niederhelfenschwil und Umgebung kleine Kindergruppen allwöchtlich zuhause in ihrer eigenen Stube unterrichtet. Da haben sie den Kindern auch viele Geschichten vom Zusammenleben und von Gott erzählt.
Nun wurde ich eingeladen, an ihrer Jubiläumsfeier zwei kurze Geschichten zu erzählen.
Ich wählte zuerst die mongolische Geschichte von den Rätseln, mit denen sich Khan Boulabek und Darishma gegenseitig herausfordern. Boulabek stellt drei Rätsel. Im dritten fragt er: «Was ist der Abstand zwischen Lüge und Wahrheit?» Darishma kann auch dieses Rätsel lösen! Und stellt ihm ein Gegenrätsel: «Was ist das?: Es ist grösser als Gott. Es ist schlimmer als der Teufel. Die Armen haben es. Die Reichen brauchen es . . . » Boulabek verzweifelt fast und glaubt, die Lösung dieses Rätsel nicht finden zu können. Aber sie liebt ihn. Und es gelingt es ihr geschickt, auch diese selbst errichtete Hürde zu überspringen . . . und ihr Glück zu finden.
In der zweiten Geschichte glückt dem einen Bauern alles, seinem Nachbarn aber nichts. Zum Glück erfährt er dann, dass er nicht einfach kein Glück hat, sondern dass sein Glück nur gerade am Schlafen ist. Zu seinem Glück und unserer Freude geht die Geschichte überraschend glücklich aus. Und gibt uns etwas zum Nachdenken auf den Weg.
Zwischen den beiden Geschichten war ich als Gesprächsleiter in einer der Kleingruppen engagiert, in denen wir einander von glücklichen Erlebnissen und stärkenden Erfahrungen in unserem eigenen Leben erzählten.
ST. GALLEN. Dieses Jahr haben wir für das Kindergeburtstagsfest der drei kurdischen Geschwister die Jugendbaracke im Haggen gemietet. Toll, denn nun haben wir wirklich genügend Platz für die vierzig Kinder.
Das Fest beginnt mit Spiel und Tanz: mit dem fröhlichen «Glockenspiel», mit einem Freudentanz und dann mit «Chomm mer gönd go Beeri suëchë, s’isch jo gär kain Wolf im Wald».
Von einem Wolf werden wir später noch hören . . . Doch zuerst müssen die Kerzen ausgeblasen, die Geschenke ausgepackt und die Kuchen gegessen werden.
Dann beginnt die Geschichte:
Alle hören gebannt zu, wie sich der Wolf mit einem schweren Sack dem Dorf der Tiere nähert und dann an der ersten Türe klopft. Die Henne, die dort wohnt, erschrickt, denn sie kannte den Wolf bisher nur aus Geschichten. Aber sie ist auch neugierig, denn der Wolf vor der Türe hat gesagt, sie müsse keine Angst haben: Er sei alt und er wolle nur eine Steinsuppe kochen. Was das ist, weiss sie nicht. Um es zu erfahren, lässt sie den Wolf in ihr Haus . . .
Der Wolf frass schlussendlich niemanden, aber etwas unheimlich war sein Besuch schon. Umso lieber wollen die Kinder anschliessend diese Geschichte als Theater spielen. Über einem Feuer aus Stofftüchern wird eine Steinsuppe mit richtigen Zutaten gekocht: Der Wolf kocht einen Stein im Wasser. Doch jedes Tier findet, diese Suppe würde doch noch besser schmecken, wenn man noch etwas hinzufügen würde: Griess, Kartoffeln, Karotten, Salz, . . .
Weil die Suppe beim Theaterspiel aber nicht warm wird, muss sie in der Küche noch fertig gekocht werden. Und im Handumdrehen kommt sie fein duftend zu den erstaunten Kindern zurück. Alle geniessen die würzige Suppe und das gemütliche Beisammensein, genau wie es in der Geschichte die vielen verschiedenen Tiere auch taten.
Und anschliessend gibt es nochmals Bewegung bei fröhlichem Tanzen, und schon ist es leider wieder Zeit heimzukehren . . .