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Kinder erleben ihre Orgel

Samstag, 19.6.2021, 9:30h,
Kirche Stein AR

Unsere Orgel erleben

STEIN. Heute ist es anders in der Kinder-Kirche Stein: Ich darf zu Gast sein bei den 19 (!) Kindern von der 4. Klasse bis zum Kindergarten.

Die Kinder sehen die Orgel immer, wenn sie hier feiern. Aber sie hören sie selten. Denn meist wird sie nur zu den Erwachsenen-Gottesdiensten gespielt. Deshalb sollen sie heute die Orgel erleben und etwas kennen lernen.

 
Eine fröhliche Kindergruppe sitzt nun vorne im geräumigen Chorraum, zwischen Orgel und Altar, im Kreis, auf Kissen auf dem Boden. Wir schauen auf diese schöne Steiner Orgel. Ich erzähle:

Eine Orgel ist ein besonderes Instrument. Man kann es nicht einpacken wie eine Flöte. Oder auf den Rücken nehmen wie ein Gitarre. Auch hat keines der Kinder eine Orgel bei sich zuhause. Oder schon? — Nein! Denn dafür genügt ein gewöhnliches Zimmer nicht. Es braucht einen grossen Raum. Und dieser ist auch wichtig, weil erst hier die Orgel so richtig schön tönt.

Wir singen ein paar Töne und lauschen dem Hall im Raum. Dann spiele ich ein festliches Stück auf der Orgel. Die Kinder schauen zu, was ich mache; sie schauen die Orgel an; sie hören die Musik.

Was habt ihr gehört? Was habt ihr gesehen? — Die goldene Verzierung. Dass manche Tasten sich von alleine bewegen. Dass ich auch mit den Füssen spiele …

Die Pfeifen sind wie Flöten, die auf dem Kopf stehen. Ich nehme eine Blockflöte hervor. Wie suchen nach den Unterschieden. Und realisieren, dass es bei der Orgel für jeden einzelnen Ton eine eigene Pfeife gibt! Das sind viele, sehr viele.

Wieviele wohl? 100, 1000, 10000? — 100; vielleicht 200, schätzen manche Kinder. — Es hat hier 1464 Pfeifen. Das habe ich mit dem Orgelbauer, der hier in Stein wohnt, berechnet. Die Kinder staunen. Wenn man die Orgel von der Seite anschaut, sieht man, wieviel Platz sie brauchen.

Die Kinder wollen diese Pfeifen auch hören: Die tiefsten Töne! — «Das tönt wie ein Gewitter!» — Und nun die höchsten! — «Wie Vogelgezwitscher» — Die lautesten? — Man muss sich ja fast die Ohren zuhalten. — Die leisesten. — «Ein Kuckuck?»

Ja, diese leisen Töne gefallen mir auch so gut. Und ich lasse verschiedene Flötenstimmen ein zweistimmiges Menuett tanzen. Die Kinder sind ganz still.

Wir hören weitere Klänge, z. B. wie Trompeten miteinander plaudern können. Wir erfahren, dass die grösste Pfeife hier — eine «8-Fuss»-Pfeife — 2.4 m hoch ist. Und dass es einen Trick gibt, eine Flötenpfeife tiefer zu machen, ohne sie länger zu machen. Ich spiele den tiefsten Ton auf meiner Blockflöte. Aber es gibt noch einen tieferen: Wenn man nämlich das letzte Loch auch noch schliesst, unten an der Flöte. Aber dazu muss mir ein Kind helfen. — Erstaunte Gesichter!

Die Orgelpfeifen sind der Grösse nach aufgestellt. Das machen nun auch die Kinder. Dann spiele ich den tiefsten Ton der Pfeifen, die man sieht. Er kommt von ganz links. Dann spiele ich den zweit-tiefsten Ton. — Der kommt ja von rechts! — Also muss das zweite Kinder auf die andere Seite stehen. Usw. Am Schluss stehen die Kinder nach der Grösse geordnet ähnlich vor der Orgel wie die Pfeifen oben auf der Orgel.

In einem weiteren Teil darf jedes Kind selbst drei Töne auf der Orgel spielen. Laut oder leise?, frage ich. Manche wollen die lautesten Töne spielen, manche ganz leise. Und ich habe eine grosse Arbeit, alle Register zu ziehen oder wieder hineinzustossen. Den Kindern macht es Spass. Und konzentriert klettert jedes Kind auf die Orgelbank, spielt seine drei Töne und kommt wieder herunter.

Und wieso gibt es überhaupt eine Orgel in der Kirche? «Wenn man in die Kirche geht», flüstere ich — und alle hören mucksmäuschenstill und sehr aufmerksam zu –, «dann ist man leise. Man redet nicht. Man will hier Beten. Spüren, dass Gott bei uns ist. Und Gott auch sagen, dass man sich über ihn freut.»

Deshalb singen wir dann zum Schluss auch noch ein frohes Lied. Aber die Kinder singen zuerst sehr leise. Ich breche ab nach zwei Takten ab: «Ihr musst lauter singen, sonst höre ich euch nicht.» Und da singen sie kräftig, so kräftig, dass ich noch ein weiteres Register ziehen kann. Und es wird ein fröhlicher Lobgesang, der die Kirche erfüllt.

Nach dem Segensgebet der Leiterin springen die Kinder nach draussen, denn sie wollen — wie versprochen — mit dem Seil, mit dem wir die Grösse der Pfeifen abgemessen haben, noch Seilspringen …


Orgel-Erlebnis-Stunden:

  • Kuhn-Orgel in Stein AR (1985: II/P/20):
    • 13.11.2023 (Schulfeier RU 2. Klasse)
    • 06.11.2023 (Schulfeier RU 2. Klasse)
    • 30.03.2023 (Schulfeier RU 2. Klasse)
    • 19.06.2021 (Kinderkirche Stein)

  • Kuhn-Orgel in Degersheim (1996: III/P/35):
      • 18.05.2014 (Kirchenjubiläum),
      • 12.01.2008 (Schüler:innen Unterstufe),
      • 12.08.2007 (Esperanto-Klubo Wil),
      • 06.03.2007 (Schüler:innen Unterstufe)

  • Späth-Orgel in Wolfertswil (1960: II/P/14):
    • 18.03.2012 (Chinderfiir).

Informationen zur Orgel von Stein AR:

  • Beschreibung der Orgel von Stein von der Orgelbaufirma Kuhn AG (1985: II/P/20).
  • Hansjörg Gerig: Die Geschichte der Orgeln in der Kirche Stein AR, 2010.
  • St. Galler Orgelfreunde: Bulletins > 2010 Jahrgang 28:
    • Matthias Hugentobler: Zur Stimmung und Intonation der Orgelpfeifen: S. 4–8.
    • Hansjörg Gerig: Zur Orgel in der Kirche Stein AR, II/P, 20 (Kuhn 1985) : S. 9–28.