Archiv der Kategorie: Geschichten erzählen

Der Frühling kommt

Brif Bruf Braf


Sonntag, 28.2.2021, gegen Abend, Oberstrasse 281a, St. Gallen

Brif, bruf, braf

Eine Geschichte nach Gianni Rodari

ST. GALLEN. Bei Hochnebel sind meine Frau und ich am Vormittag aufgebrochen und ins Appenzellerland hinüber gewandert; am Nachmittag begleiteten uns die freundlich wärmende Sonne und der blaue Frühlingshimmel wieder nach Hause.
In unserer Siedlung sind Kinder am Spielen. Wir kommen ins Gespräch. Wir überlegen miteinander, wie man aus vier Strängen einen schönen Zopf für ein Armbändeli machen kann. N. hat eine Idee. Wir probieren es sofort aus. Und es geht!
D. kommt hinzu. Er schaut, was wir machen. Dann: «Haben Sie eine Geschichte?» «Ja», sagte ich, «und du, hast du auch eine Geschichte?» «Ja!», sagt er. — «Erzähle!» — Und D. erzählt uns einen übermütigen Witz.
«Weisst du auch, worauf es ankommt, ob eine schwarze Katze Unglück bringt oder nicht?», frage ich. — Verschiedene Antworten kommen aus der kleinen Kinderrunde. — «Es kommt darauf an, ob sie einem Menschen oder einer Maus begegnet.»

«Und was ist nun mit der Geschichte?», hakt D. nach. «Gut. — Eine Geschichte von zwei Kindern: Es waren einmal zwei Kinder, die spielten draussen miteinander. Sie wollten eine Geheimsprache erfinden. Damit niemand sie verstehen konnte.
Auf dem Balkon goss eine Frau ihre Blumen.» Ich schaue nach oben, zum Balkon.
«Auf dem nächsten Balkon sass ein Mann und las die Zeitung.» Ich schaue zum zweiten Balkon.
«‹Brif braf›, sagte das eine Kind. ‹Braf brof›, sagte das andere. Und sie mussten laut lachen, so lustig war das.»
Die Kinder lachen auch.
Und dann ich erzähle weiter: Von der Frau, auf dem Balkon, welche die Kinder nicht versteht und sie deshalb dumm findet. Und vom netten Mann auf dem Balkon daneben, welcher der Frau erklärt, was die Kinder soeben gesagt haben, nämlich: ‹Heute ist ein super Tag!› und ‹Morgen wird es noch schöner!›.
Und so geht es weiter, hin und her. Bis zum überraschendem Schluss, als der nette Mann die mürrische Frau freundlich und witzig mit nur drei Worten daran erinnert, wie schön doch das Leben ist. –

«Machen wir jetzt noch ein Spiel?» – «Ja!» – «Ich will das Drachenspiel machen.» Ich schaue im Rucksack: Ja, da gibt es einen Fetzen! Und schon verteidigt ihn der Drachen gegen die Diebe. Lachen. Springen. Fangen. Sich Freuen. Und es bleibt nicht bei diesem einen Spiel . . .  Doch dann, später, ruft eine Mutter zum Nachtessen, und eine zweite auch. Und der Himmel beginnt rotblau einzuschlummern. Zufrieden und müde gehen auch wir nach Hause . . .  —

Wieder draussen sein, wandern, grossen Leuten und Kindern begegnen, mit einer kleinen Geschichte und ein paar Spielen den Alltag auffrischen: Ein schöner neuer Anfang in Erwartung des Frühlings.


Literaturhinweis und Bildquelle:

Advent 2019

Sonntag, 1.12.2019; 17:15h – 17:30h, Oberstrasse 281a, St. Gallen

Die Mutprobe

Eine Geschichte nach Heribert Haberhausen, zum Erzählen im Advent eingerichtet von Wolfram Fischer

ST. GALLEN. Das Glasfenster am Hauseingang ist mit einem grossen dunkelroten Tuch verdeckt. Immer mehr Kinder und Erwachsene versammeln sich. Dann – endlich – klingelt lange eine Glocke: Der Moment der Enthüllung des Adventsfensters der Geschwister Leni und Lukas ist gekommen! Und zum Vorschein kommt das Bild einer grossen, rot leuchtenden Christbaumkugel, umgeben von vier kleinen farbigen Kugel.

Lukas und sein Kollege tragen das dunkelrote Tuch weg, hinüber zur Geschichten-Ecke. Nun ist alles bereit, und kann ich beginnen mit der Geschichte von Ralf, der eine Mutprobe bestehen muss, damit er in die Gruppe von Stefan und Peter aufgenommen wird. Die Mutprobe widersteht ihm, denn er sollte dem alten Herrn Gradenecker in seinem Lädeli eine Schokolade stehlen. Doch er will nicht feige sein, und deshalb macht er es dann trotzdem.

Nun wird er in die Gruppe aufgenommen. Aber das, was er getan hat, plagt ihn. Am nächsten Tag geht er ins Lädeli und will Herrn Gradenecker einen Zweifränkler geben. Auf die erstaunte Frage von Herrn Gradenecker, was er denn dafür haben möchte, rückt er damit heraus, dass er die Schokolade schon gestern genommen habe, und dass es eine Mutprobe gewesen sei. Herr Gradenecker nimmt das Geld und schaut ihn an und sagt: «Die Mutprobe, die war heute.»


Literaturhinweis:

  • Nach Heribert Haberhausen: Bitterschokolode. In: Steinwede/Schupp [Hrsg.]: Abel steh auf. Geschichten zur Zivilcourage für junge Menschen ab 8. Lahr 2002: S. 52 f.

Adventsgeschichte 2017

Mittwoch, 13.12.2017, 14:30h — 15:30h, Bibliothek Degersheim

Ein Krippenspiel braucht Mut

Nach einer Geschichte von Regine Schindler

Christine darf nicht mitspielen beim Krippenspiel, die Lehrerin hat sie nicht ausgewählt. So kann sie bei allen Proben nur zuschauen. Aber am Tag der Aufführung passiert etwas, womit niemand gerechnet hat, am allerwenigsten Christine . . .
Eine wunderschöne Adventsgeschichte von einem mutigen Mädchen, frei erzählt und mit Musik untermalt von Wolfram Fischer.


Literaturhinweise, Bildquelle:

  • Das Krippenspiel. In: Regine Schindler: Der Weihnachtsclown. Bern (Blaukreuz) 1982: S. 47-54.

Ein magischer Abend zum Geburtstag

Hexentrum Sempach [sempach.ch]
Hexentrum Sempach [sempach.ch]
Oktober 2017, Sempach

Eine Hexe als Freundin?

Einen magischen Abend zum ihrem 30. Geburtstag: Das wünschte sich eine junge Frau. Zuerst dachte sie an einen Zauberer. Doch dann kontaktierte sie mich als Geschichtenerzähler. Nach einem eingehenden Gespräch stellte sich heraus: Das wird spezieller werden. Ungewohnt. Und nachhaltiger. Denn wir wählten eine kurze, humorvolle Liebesgeschichte nach der Vorspeise, eine zauberhafte Geschichte mit Publikumsbeteiligung nach dem Hauptgang, und vor dem Dessert ein Erzählcafé mit Erinnerungen der Gäste aus dem Leben mit der Jubilarin.

Gefeiert wurde im Sempacher Hexenturm: Ein toller Ort für Geschichten! Natürlich sollte an einem solchen Ort auch eine Hexe vorkommen. Und sie tauchte denn auch unvermittelt auf in der Geschichte von der mutigen Frau mit dem Spinnrad: Sie wagte sich an eine Aufgabe, bei der schon mehrere Dutzend kluger Männer ihre Köpfe verloren hatten. Sie stellte dabei die Frage, ob der liebende Mann seine Freundin heiraten solle, auch wenn er erfahren hat, dass sie eine Hexe ist: Ein Rätsel sowohl für die Geburtstagsgesellschaft als auch für die Helden und deren Mitläufer im Märchen vom stillen Prinz.

Im Erzählcafé schenkten die Gäste ihre Erinnerungen der ganzen Gästeschar: Ein lebhafte und äusserst persönliche Geschichte entstand, ein besonderes Geschenk an das Geburtstagskind. Kurze Musikstücke markierten den Wechsel von einem Lebensabschnitt zum nächsten. Abgerundet wurde diese gemeinsam erzählte Geschichte durch spontan beschriebene Wunschkärtchen aller, welche von der Geburtstäglerin dann als Puzzle zu einer „Stadt der guten Wünsche“ zusammen gesetzt wurden.


Literaturhinweise:

  • Orientalische Liebesgeschichte. In: Marlis Arnold: 3-Minuten Märchen aus aller Welt, Ullmann 2001.
  • Dan Yashinsky: The Silent Prince. In: tellery.com > videos.
  • Dan Yashinsky: Suddenly They Heard Footsteps. Storytelling for the Twenty-first Century, Mississippi 2006: S. 277-284.
  • Der Stille Prinz. In: Rätsellust und Liebeslist. Märchen zum Vor- und Nach-Lesen gesammelt und bearbeitet von Frau Wolle, Innsbruck 2000: S. 13-27.

Weihnachtsgeschichte 2016

24. Dezember 2016, 16:30h, Kirche Wolfertswil

Der Stern der Weihnachtsfähre

Eine Geschichte zum Lied: «En helle Stern inre tunkle Nacht» von Andrew Bond. Skript: Wolfram Fischer, inspiriert vom Bilderbuch: «Die Weihnachtsfähre» von Marbeth Reif und Sakari Nomura.

WOLFERTSWIL. Ein langes blaues Tuch als Fluss, ein Holzschiff, Platz für viele kleine Zuhörer im Chorraum neben der Weihnachtskrippe und für die grösseren Zuhörer in den vordersten Kirchenbänken, rechterhand eine Handvoll SchülerInnen mit ihren Musikinstrumenten, in der Mitte ein Stuhl aus Grossmutters Zeiten für den Erzähler: Vor dieser Kulisse führte Silvia Kessler vom Chinderfiir-Team durch die Familienweihnachtsfeier unseres Dorfes.

Die Geschichte, die dieses Jahr von Wolfram Fischer erzählt und von SchülerInnen musikalisch untermalt wurde, handelte von Tabea und ihrem Grossvater, einem Fährmann:

Eine Familie mit einem Baby bittet spät am Weihnachtsabend noch um eine Überfahrt ins Dorf. Als der Grossvater sie spontan noch zu einer stärkenden Suppe einlädt, kann Tabea die Augen kaum mehr vom kleinen Kind lassen: Genau so muss auch das Jesuskind ausgehen haben! Auf der anschliessenden Überfahrt entdeckt Tabea begeistert, dass ein heller Stern (der Weihnachtsstern!) mit ihnen fährt. Und dass er nach der Rückfahrt über ihrem Haus stehen bleibt, gerade wie es in ihrem Lieblings-Weihnachtslied vom Stern erhofft wird:

En helle Stern inre dunkle Nacht
hät de Mäntsche Hoffnig praacht.
Stern, staa still bi öisem Huus,
straal diis Liecht für ali uus.
Stern vo Betlehem,
schiin in Stall,
lüücht hüt znacht i öises Huus.
Straal, straal überall.

Miteinander singen Tabea und ihr Grossvater dann dieses Lied und feiern Weihnachten. Dazu erzählt der Grossvater Tabea die Weihnachtsgeschichte.


Literaturhinweise, Bildquelle:

  • Inspiriert von: «Die Weihnachtsfähre» von Marbeth Reif und Sakari Nomura, Neptun Verlag 1985.
  • Zum Lied: «En helle Stern» aus der «Mitsing*Wienacht» von Andrew Bond.

 

Rätselgeschichten zum Jubiläum

Roggen

August 2016, Lenggenwil

Auf der Suche nach dem Glück

Frauen feiern ihr Jubiläum: Seit zwanzig Jahren haben Mütter in Niederhelfenschwil und Umgebung kleine Kindergruppen allwöchtlich zuhause in ihrer eigenen Stube unterrichtet. Da haben sie den Kindern auch viele Geschichten vom Zusammenleben und von Gott erzählt.

Nun wurde ich eingeladen, an ihrer Jubiläumsfeier zwei kurze Geschichten zu erzählen.

Ich wählte zuerst die mongolische Geschichte von den Rätseln, mit denen sich Khan Boulabek und Darishma gegenseitig herausfordern. Boulabek stellt drei Rätsel. Im dritten fragt er: «Was ist der Abstand zwischen Lüge und Wahrheit?» Darishma kann auch dieses Rätsel lösen! Und stellt ihm ein Gegenrätsel: «Was ist das?: Es ist grösser als Gott. Es ist schlimmer als der Teufel. Die Armen haben es. Die Reichen brauchen es . . . » Boulabek verzweifelt fast und glaubt, die Lösung dieses Rätsel nicht finden zu können. Aber sie liebt ihn. Und es gelingt es ihr geschickt, auch diese selbst errichtete Hürde zu überspringen . . .  und ihr Glück zu finden.

In der zweiten Geschichte glückt dem einen Bauern alles, seinem Nachbarn aber nichts. Zum Glück erfährt er dann, dass er nicht einfach kein Glück hat, sondern dass sein Glück nur gerade am Schlafen ist. Zu seinem Glück und unserer Freude geht die Geschichte überraschend glücklich aus. Und gibt uns etwas zum Nachdenken auf den Weg.

Zwischen den beiden Geschichten war ich als Gesprächsleiter in einer der Kleingruppen engagiert, in denen wir einander von glücklichen Erlebnissen und stärkenden Erfahrungen in unserem eigenen Leben erzählten.


Literaturhinweise:

  • Frau Wolle: Khan Boulabek. In: Rätsellust und Liebeslist, Innsbruck 2000: S. 77-87.
  • Heinrich Dickerhoff, Harlinda Lox [Hrsg]: Zweimal Glück. In: Märchen für die Seele, Krummwisch (Königsfurt-Urania) 2012: 57 f. Quelle: [o.V.]: Ungarische Märchen [1926].

Geschichten-Nachmittag in der Bibliothek

Warten bis die Lichter gelóscht werden und die Geschichte beginnt ...
Warten bis die Lichter gelóscht werden und die Geschichte beginnt … [Foto: Eliane Locher]

Vom Landstreicher – in der Bibliothek

DEGERSHEIM. Am Mittwoch-Nachmittag vor den Weihnachtsferien gab es in der Bibliothek Degersheim für einmal nicht nur Bücher zum Ausleihen, sondern auch eine Geschichte zum Anhören, frei erzählt und mit improvisierter Musik untermalt von Wolfram Fischer.

Über fünfzig Augenpaare von Kindern und Erwachsenen schauten gespannt zu, als der Geschichtenerzähler unter dem Licht einer Ständerlampe zuerst stumm ein Geschenk auspackte, ein kleines Tasten-Instrument hervorholte, auf die Knie legte und eine nordische Melodie ertönen liess. Und dann von den drei Kindern aus der Geschichte von Astrid Lindgren zu erzählen begann, die am Sonntag vor Weihnachten alleine zuhause bleiben mussten, weil Vater und Mutter – ausgerechnet aus diesem Tag! – mit dem Pferdeschlitten ins Dorf zu einer Beerdigung fahren mussten. Und wie sie niemand hereinlassen durften, und dann doch aus Versehen ein Landstreicher herein kam, ein Landstreicher, der wunderbare Scherenschnittsterne basteln konnte, Karamellbonbons aus Ohren heraus zaubern und dank einer geheimen Erfindung tatsächlich auch mit dem Bruder aus Amerika telefonieren konnte, in einer Zeit, da es noch keine Mobiltelefone gab, dafür aber einen selbst erfundenen Apparat im Bauch, der viel spannender anzuhören war . . .

Natürlich wollten anschliessend an diese aufregende und lustige – aber auch etwas traurige – Geschichte viele Kinder auch noch selbst ausprobieren, wie man besonders schöne Scheren­schnitt­sterne basteln konnte. Die Bibliothekarinnen halfen mit, servierten etwas zu Trinken und boten etwas Kleines zum Essen an. Und natürlich fehlten auch Karamellbonbons nicht.

Nicht nur der schöne Weihnachtsabend in der Geschichte ging viel zu schnell vorüber. Auch in der Bibliothek musste nach eineinhalb Stunden wieder Platz gemacht werden für die Leseratten, die neue Bücher holen wollten. Aber heute nahm manches Kind neben seinen Büchern auch noch einen wunderbaren Scherenschnittstern auf einem weissen Blatt mit nach Hause.

(wf)


Zeitungsbericht:

Literaturhinweis:

Adventsgeschichten 2015

Über die Felder – und dann nach links

Nach einer Geschichte von Otfried Preussler

Donnerstag, 10. Dezember 2015, 17:15h, Vereinslokal Wolfertswil

Eine abenteuerliche Weihnachtsgeschichte von einem Bäckerlehrling, einer Orange und einem Engel, frei erzählt und mit Musik untermalt von Wolfram Fischer.

Gute Nacht, Herr Landstreicher !

Nach einer Geschichte von Astrid Lindgren

Mittwoch, 16. Dezember 2015, 14:30h, Bibliothek Degersheim

Eine humorvolle weihnachtliche Geschichte von drei Kindern, Karamellbonbons, Christbaumschmuck und einem Landstreicher, frei erzählt und mit Musik untermalt von Wolfram Fischer.


Literaturhinweise:

Geschichtenabend mit Hausmusik

Schweigen ist Silber, Liebe ist Gold

Dorf·Feier·Abend mit frei erzählten
Geschichten und Märchen für Erwachsene

Mittwoch, 11. November 2015, 20:00h, Steigstrasse 12, Wolfertswil
Sonntag, 22. November 2015, 16:30h, Steigstrasse 12, Wolfertswil

Eine Liebe kann durch Reden gewonnen oder verloren werden, ebenso durch Schweigen. —

Wir laden ein, den unterhaltsamen und hintersinnigen Geschichten des Geschichtenerzählers Wolfram Fischer zu lauschen. Dazwischen gibt es Tee und märchenhafte Hausmusik am Flügel.

Geschichtenmenu

Gruss aus der Geschichtenküche
Orientalische Liebesgeschichte

Vorspeise
Der stille Prinz

Drei kurze Geschichten, delikat angerichtet in einer versponnenen Rahmengeschichte aus Kanada

Hauptgang
Jussuf träumt einen Traum

Eine traumhaft-üppige Geschichte aus der orientalischen Geschichtenschatzkammer

Dessert
Die blaue Rose

Eine luftig-humorvolle Geschichte mit Rosenblätterduft aus China


Musikalische Umrahmung
Klaviermusik von Francis Poulenc, Jean Sibelius, Claude Debussy, Wolfram Fischer, Cécile Chaminade.

Tee und Bettmümpfeli
Fahima Sayman und Myrta Fischer werden uns mit afghanischem und schweizerischem Tee verwöhnen. Und als Bettmümpfeli gibt es eine afghanische Spezialität.


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BERICHT

Der Wolfertswiler Dorf·Feier·Abend von letzter Woche fand in einem neuen Format statt: Wolfram und Myrta Fischer luden zusammen mit Fahima Sayman in ihrer zum «Raum für Geschichten» umfunktionierten Stube ein, Märchen und Geschichten, Klaviermusik und Tee zu geniessen.

«Ich erzähle heute nicht nur vier Geschichten mit Worten», erklärte der in einem traditionellen türkischen Gilet auftretende Geschichtenerzähler Wolfram Fischer zu Beginn. «Die Stücke, die ich am Flügel spiele, sind für mich ebenfalls Geschichten: Musikalische Geschichten von Gefühlen und Stimmungen.»
Nebst märchenhaften Stücken von Poulenc, Debussy und Sibelius sowie zwei Eigenkompositionen war die Barcarolle von Cécile Chaminade eine besondere Kostbarkeit: Sie stammte aus der Hand einer Frau, die unter vielen Männern um die vorletzte Jahrhundertwende komponierte.

In der als «Vorspeise» erzählten Geschichte vom stillen Prinzen war es auch eine Frau, eine schweigende Frau, der es nach vielen vergeblichen Versuchen von redenden Männern gelang, den Prinzen zum Reden zu verführen. Dieses Märchen hat Dan Yashinsky, ein kanadischer Märchenerzähler neu gedichtet. Er verwob dabei Versatzstücke aus bekannten Märchen derart geschickt, dass eine Zuhörerin anschliessend fasziniert fragte, ob das Geschichten aus tausendundeiner Nacht gewesen seien.

Als «Hauptgang» genossen die Zuhörer die Geschichte vom armen Fischer, der trotz allem ein reiches Leben hatte, denn die Nächte verbrachte er in seinen Träumen als reicher Kaufmann in Bagdad. Sein Problem war, wie er das Gold aus der Welt des Traumes in die Welt des Tages bringen konnte. Während ihm das überraschenderweise, aber auf gut nachvollziehbare Weise gelang, wurde sein zweites Problem zur Herausforderung seines Lebens: Im Traum verliebte er sich in «Frau Traum». Natürlich wollte er auch sie unbedingt in die reale Welt hinüber bringen . . .

Zum «Dessert» gab es die Geschichte von der Prinzessin, die verlangte, dass der Mann, der sie heiraten wolle, ihr eine blaue Rose bringen müsse. Das sagte sie aber nur, um ihren ewig drängenden Vater ruhig zu stellen. Eigentlich wollte sie gar keinen Mann heiraten. Und zu ihrer Zufriedenheit konnte ihr auch kein Mann eine richtige, lebendige blaue Rose bringen. Als sie sich dann aber unerwarteterweise doch verliebte, wurde diese Forderung zu ihrem Problem. Die Zuhörer_innen staunten und schmunzelten über die Art und Weise, wie es ihr und ihrem Geliebten schliesslich gelang, dieses «hausgemachte» Problem zu lösen.

Wolfram Fischer erzählte nicht auswendig, wie er im Gespräch betonte, sondern frei. «Ich erzähle, als ob ich von etwas Erlebtem erzählen würde, mit meinen eigenen Worten, für die Zuhörer, die gerade jetzt da sind.» Dies tat er mit einer packenden Präsenz.
Und nach den Geschichten spannten die musikalischen Intermezzi einen wohltuenden Raum auf, dem Erlebten nachzusinnen.
Ganz zur Stimmung passend servierten Fahima Sayman und Myrta Fischer in afghanischen Festkleidern in der Pause Grüntee und feines afghanisches Gebäck.

(wf)


Zeitungsbericht:

Literaturhinweise:

  • Orientalische Liebesgeschichte. In: Marlis Arnold: 3-Minuten Märchen aus aller Welt, Ullmann 2001.
  • Dan Yashinsky: The Silent Prince. In: tellery.com > videos.
  • Dan Yashinsky: Suddenly They Heard Footsteps. Storytelling for the Twenty-first Century, Mississippi 2006: S. 277-284.
  • Der Stille Prinz. In: Rätsellust und Liebeslist. Märchen zum Vor- und Nach-Lesen gesammelt und bearbeitet von Frau Wolle, Innsbruck 2000: S. 13-27.
  • Die Geschichte vom Mann, der einen Traum träumte. In: Johannes Merkel: Eine von tausend Nächten, München 1987. Nach: G. Campbell: The Story of the Man who Dreamt a Dream. In: Told in the Marketplace, London 1954: S. 161-168.
  • Jussef und Traum. In: Augenblick und Ohrenglück. Märchen zum Vor- und Nach-Lesen, gesammelt und bearbeitet von Frau Wolle, Innsbruck 2010: S. 76-91. Nach: G. Campbell: The Story of the Man who Dreamt a Dream. In: Told in the Marketplace, London 1954: S. 161-168.
  • Die blaue Rose. Märchen aus China, nacherzählt von Gideon Horowitz.

Märchenhafte Frauen

10. Februar 2015, Restaurant Löwen, Wolfertswil

Frauen-Märchen-Abend

WOLFERTSWIL. Über sechzig Frauen sind zur Hauptversammlung der Frauengemeinschaft Wolfertswil-Magdenau gekommen! Viele davon haben sich zum Motto «Wir träumen von märchenhaften Frauen» als Märchengestalten verkleidet: Als Schneewittchen und Zwerge, als Langschläfer, als Rotkäppchen, Jäger und Grossmütter – und zur Freude aller konnten auch noch einige echte Grossmütter entdeckt werden …

Die Märchenerzählerin Rita Ehrbar und der Geschichtenerzähler Wolfram Fischer sind eingeladen worden, an diesem Abend Märchen zu erzählen. Zusammen tragen sie eine Truhe mit wertvollen Dingen herein. Im Laufe des Abends werden verschiedene Dinge aus dieser Truhe geholt.

  • Zum Schlüssel für die Truhe erzählt Rita Ehrbar das Märchen vom goldenen Schlüssel der Gebrüder Grimm: Wir hören von einem Mädchen, das mit dem Schlüssel langsam ein geheimnisvolles eisernes Kästchen öffnet. Und wir müssen geduldig warten, bis wir sehen können, was alles dort drinnen liegt …
  • Zu einer Hirtenflöte erzählt sie das englische Märchen vom Lumpenkind: Wir hören von einem verstossenen Enkelkind, das trotz seiner Lumpenkleidung von einem Prinzen geliebt wurde …
  • Zu einem Fläschchen mit Wasser erzählt Wolfram Fischer den russischen Schwank vom besprochenen Wasser (nach Frau Wolle): Wir hören von einem Paar, das sich leider häufig heftig streitet. Die um Rat gefragte weise Kräuterfrau empfiehlt der Frau, beim nächsten Streit einen Schluck des besprochenen Wassers in den Mund zu nehmen und auf der Zunge zu lassen. Das wirkt …
  • Zu einer blauen Glasperlenkette, die in türkischen Küchen aufgehängt wird, erzählt er das türkische Märchen vom Vater und seinen sechs Töchern: Wir hören, wie es der mutigen und klugen jüngsten Tochter gelingt, die Männergesellschaft in Staunen zu versetzen und da bei auch noch ihren Traummann zu heiraten …

Literaturhinweise:

  • Frau Wolle: Das besprochene Wasser.  Katholischer Familienverband Tirol, o.J.
  • Märchen aus der Türkei: Von dem Vater und seinen sechs Töchern. In: Hannelore Marzi (Hrsg.): Orientalische Frauenmärchen, Krummwisch (Königsfurt-Urania), 2013: S. 51–61. Übersetzt und bearbeitet aus: Pertev Naili Boratav: Az Gittik Uz Gittik. Istanbul 1992.